Der VW-Konzern ist unzufrieden mit seinen Margen und will mit einem Sparprogramm nachsteuern. Christian Vietmeyer von der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie macht im Interview klar, dass bei ihnen nichts zu holen ist.

Wirtschaftswoche: VW-Vorstand Oliver Blume verkündet eine Verschärfung beim Sparprogramm, hält sich mit Details aber zurück. Wie wirkt sich das auf die Zulieferer aus, ist allein schon die Ankündigung bedrohlich?

Christian Vietmeyer: Grundsätzlich befindet sich das Unternehmen aus verschiedenen Gründen in schwierigem Fahrwasser. Es wurde deutlich gemacht, dass die Gewinnmargen nicht mehr das sind, was sie einmal waren, vor allem wegen zu hoher Kosten. Wenn VW sagt, „wir haben zu hohe Kosten“, dann schrillen bei den Zulieferern die Alarmglocken. Man wird wahrscheinlich versuchen, die Preise im laufenden Geschäft oder im Neugeschäft zu drücken, um Kosten zu sparen. Das sehen wir natürlich kritisch.

Weil die Zulieferer die Preise nicht senken wollen oder können?

Wenn ich von den Zulieferern ausgehe, die in Deutschland produzieren: Können. Wenn VW käme und Rabatte verlangen würde, wäre das nicht akzeptabel. Auch bei unseren Mitgliedsunternehmen sind die Kosten nach oben gegangen, insbesondere die Energiekosten.

Sollte VW die Zulieferer zum Sparen auffordern, käme das angesichts der bereits getätigten Investitionen ohnehin zu einem schlechten Zeitpunkt?

Ja, zur Unzeit. Es gibt dafür keine Spielräume. In der Vergangenheit kamen die OEMs mit Rabattforderungen auf die Zulieferer zu, wenn eine Produktion länger lief und erwartet wurde, dass man mit Blick auf die produzierten Mengen in der Produktion effizienter geworden ist. Doch an diesem Punkt sind wir in Sachen E-Mobilität noch lange nicht. Die Investitionen haben sich noch nicht amortisiert.

VW – wie auch die anderen Hersteller – leidet aktuell unter dem mangelnden Absatz von Elektroautos. Geht es den Zulieferern ähnlich?

Viele Zulieferer haben sich auf die Produktion von Teilen für die E-Mobilität spezialisiert und Produktionskapazitäten aufgebaut. Werden die angepeilten Mengen jedoch nicht abgenommen, liegt das Risiko allein bei den Zulieferern. Das ist immer so. Verbindliche Abnahmemengen gibt es nicht. Aktuell bleiben die Zulieferer auf ihren Kapazitäten und Kosten sitzen. Lesen Sie auch: Darum sollte der Betriebsrat die Sanierung von VW nicht blockieren.

Würde der Konzern seine Produktionsmengen wegen der mangelnden Nachfrage weiter reduzieren, wäre das für einige Zulieferer dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt – und damit in die Insolvenz führen würde?

Das würde nur die Zulieferer treffen, die besonders abhängig von VW sind. Ich kenne aber kein Unternehmen, das nur VW beliefert. Die meisten Zulieferer haben mehrere Abnehmer. Und selbst wenn, würde das nicht sofort zur Insolvenz führen.

Besondere Abhängigkeiten von Zulieferern, die sich direkt um die Produktionsstandorte angesiedelt haben, sind Ihnen auch nicht bekannt?

Das hängt überhaupt nicht von der Nähe zu den Fabriken ab, wir liefern auch aus dem Schwarzwald oder dem Sauerland. Natürlich gibt es um Standorte wie Wolfsburg große Systemlieferanten, aber das sind nicht unsere Mitgliedsunternehmen. Für diese gilt: Solange es sich um Deutschland dreht, ist die Entfernung kein Problem.

Gibt es sonst noch Faktoren, die besonders VW betreffen?

Ich bin auch Hauptgeschäftsführer beim Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung, in der Stahlverarbeitung haben wir insgesamt eine durchschnittliche Gewinnmarge von drei Prozent. Das ist deutlich weniger, als VW selbst in schlechten Szenarien hat. Dass diese Situation für die Politik dennoch einen höheren Stellenwert hat, zeigt sich auch in der Fernsehpräsenz des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Denn wir dürfen nicht vergessen, wenn VW weniger Gewinn macht, merkt man die fehlenden Erträge auch im niedersächsischen Haushalt. Anders als der Mittelstand wird VW allerdings auch von den Kapitalmärkten beurteilt.

Bisher hieß es immer, die aktuell neue Verbrenner-Motorengeneration wird auf dem europäischen Markt vermutlich die Letzte sein. Ändert die Nachfrageschwäche der E-Mobilität daran etwas?

Das hätte ich vor einem Jahr vermutlich auch so gesagt. Doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert und mit Blick auf andere Hersteller wie BMW und Mercedes würde ich sagen, diese Messe ist noch nicht gelesen.

Was hieße das für die Zulieferer, wenn sie gezwungen wären, zweigleisig zu fahren – also mit Elektro und Verbrenner?

Sie müssten ihre Investitionen aufteilen und das ist das Problem. Ein E-Auto ist kein umgebauter Verbrenner. Das war vielleicht am Anfang so, ändert sich aber gerade. Und hier geht es um Karosserie, Chassis, eigentlich alles.

Einen generellen Weg zurück in die Zeit des Verbrenners gibt es aber nicht?

Nein, das Flugzeug ist jetzt abgehoben, wir können den Start nicht mehr abbrechen. Was wichtig ist, ist, dass die Politik für verlässliche Rahmenbedingungen sorgt. Es kann nicht sein, dass in Deutschland Förderkulissen plötzlich wegfallen und auf EU-Ebene Diskussionen immer wieder neu eröffnet werden. Es braucht eine konsistente langfristige Strategie.

Spielen sie auf EU-Ebene auf die Diskussion um die Technologieoffenheit an?

Einige sagen, der Begriff dürfe auf keinen Fall mehr genannt werden, weil er für mehr Verunsicherung sorgt. Ich sage, die Verbraucher sind nicht verunsichert, weil auch über den Einsatz von Wasserstoff nachgedacht wird, sondern sie kaufen nicht, weil das Gesamtumfeld nicht stimmt. Wenn man den Einsatz von grünem Wasserstoff fordert, heißt das nicht, dass man die Elektrostrategie relativieren will.