12.04.2021

Die konjunkturellen Perspektiven der Zulieferindustrie hellen sich spürbar auf. Gleichzeitig dämpfen die Signale aus dem Fahrzeugbau als wichtigste Kundenbranche die Erwartungen. Es wird immer deutlicher, dass die deutsche Zulieferindustrie im Zentrum des industriellen Strukturwandels zur Dekarbonisierung der Gesellschaft steht.

Nach dem pandemiegeprägten Vorjahr war der Start in das Jahr 2021 für die gesamte Zulieferindustrie von existenzieller Bedeutung. Die Erholung der Lage - Stand Ende des ersten Quartals 2021 - spiegelt sich deutlich im Geschäftsklima der Zulieferer wider: In allen Segmenten der deutschen Zulieferindustrie hat sich die aktuelle Geschäftslage auf breiter Front verbessert. Die Dynamik ist vergleichbar mit der Erholung nach der Finanzkrise 2009. Gleichzeitig stiegen die Geschäftsaussichten für die nächsten sechs Monate. Optimistischer war die Erwartungshaltung der Zulieferer zuletzt im Februar 2011. Dennoch sind die Signale aus den Kundenbranchen extrem zwiespältig: Die Fahrzeugbauindustrie sendet aufgrund der Lieferprobleme bei Elektronikbauteilen unverändert Bremssignale aus. Die ursprünglich optimistischen Prognosen der Automobilhersteller für das Jahr 2021 dürften kaum mehr zu halten sein. In der Folge sind Prognoserevisionen auch auf Zuliefererseite erwartbar. Der Maschinenbau als zweitwichtigste Kundenbranche hat demgegenüber wieder Fahrt aufgenommen. Hier sind Aufwärtsrevisionen der ursprünglich eher konservativen Erwartungen wahrscheinlich.

Der Strukturwandel zur Dekarbonisierung der Gesellschaft ist längt auch in der Zulieferindustrie angekommen. In einem konjunkturell höchst unsicheren Umfeld müssen die zum Teil sehr mittelständischen Zulieferbetriebe teure Investitionsentscheidungen treffen. Der Klimaschutz ist ein Schlüsselthema unserer Zeit, welches mit ehrgeizigen und erreichbaren Zielen prioritär vorangetrieben werden muss. Die Zulieferindustrie bekennt sich zu den Pariser Klimazielen. Die vom Gesetzgeber gesetzten CO2 – Reduktionsziele müssen sich indes auch an der technischen Machbarkeit orientieren, das gilt u.a. auch für die Festsetzung von CO2- Grenzwerten. Der Fokus des Handelns muss von vorneherein im Dialog mit den betroffenen Industrien die Umsetzung der Ziele in den einzelnen Sektoren in den Blick nehmen und die hierdurch entstehenden Folgen genau und transparent benennen. Jede politische Regelsetzung und Förderung auch in der Europäischen Union muss technologieoffen sein. Das marktwirtschaftliche Prinzip, dass sich zur Erreichung der politischen Ziele die technisch beste Lösung im Wettbewerb der Technologien entwickeln und durchsetzen muss, führt zu Innovationen, die tatsächlich und ohne staatliche Förderung in großer Zahl zum Einsatz kommen. Staatlicher Dirigismus und Technologieverbote dagegen bergen die Gefahr, dass falsche Wege beschritten werden und zielführende Optimierungen nicht zum Zuge kommen können. Die Vorgaben der neuen Abgasnorm Euro 7 müssen sich an den technisch und wirtschaftlich erreichbaren Fortschritten orientieren. Genauso wie elektrische Antriebe können auch z.B. mit E-Fuels betriebene Verbrennungsmotoren einen wertvollen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.

Dies gilt auch und gerade in Hinsicht auf zeitliche Festlegungen. Entwicklungsprozesse können unerwartet schnelle Fortschritte machen oder Hemmnissen und Verzögerungen ausgesetzt sein. Es ist nicht verantwortlich, in der Hoffnung auf neu entstehende Arbeitsplätze in der Zukunft sichere bestehende Arbeitsplätze im industriellen Mittelstand akut zu gefährden. Daher ist ein Monitoring bei der Zielerreichung der Klimaziele inklusive der durch die Umsetzung zu erwartenden Folgen wesentlich.

Die mittelständischen Zulieferbetriebe können die Transformation nicht aus eigener Kraft stemmen, sondern brauchen Unterstützung durch spezielle, auf den Mittelstand zugeschnittene Förderprogramme. CO2-Emissionen können z.B. durch eine Umstellung der Energieversorgung oder neue Produktionsverfahren gesenkt werden. Dafür müssen die notwendigen Standortbedingungen geschaffen und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Der Staat sollte dafür unbürokratisch Zuschüsse bereitstellen. Die Forschung und Entwicklung entlang der gesamten Wertschöpfungskette, z.B. in den Bereichen Mobilität, grünem Wasserstoff und alternative Kraftstoffe, muss konsequent fortgeführt werden. Schlüsseltechnologien, z.B. in der Antriebstechnologie, der Materialforschung, der Mikroelektronik, der Leistungselektronik, der Batterietechnologie und der Vernetzung und Digitalisierung im Fahrzeug, müssen weiterentwickelt werden. Schließlich geht es um über 1 Million Beschäftigte in rd. 9.000 Betreiben.

ArGeZ Pressemitteilung und Lastenheft zur Bundestagswahl zum Download.

 

 

 

WSM Umwelt- und Energietag 2024

Auch in diesem Jahr werden hochkarätige Referen-ten Aktuelles zu den Themen Umwelt & Arbeitsschutz, Energie & Klima für unsere Branche vortragen und die Themen mit Praxiserfahrungen und Hintergrundwissen beleuchten.

 

Hier die Eckdaten:

Name: WSM Umwelt- und Energietag 2024
Datum: 4.Dezember 2024Uhrzeit: 9:30 Uhr bis 16:00 Uhr
Methode: Präsenzveranstaltung
Veranstaltungsort: Haus der Stahlverformung, Goldene Pforte 1, 58093 Hagen
Kosten: 200 € für Mitglieder, 450 € für Nichtmitglieder (jeweils zzgl. 19 % MwSt.)

Die Einladung und Agenden finden Sie hier zum Download.

Für Ihre Anmeldung nutzen Sie bitte ausschließlich den Link 

 

 

 

WSM Handlungsempfehlungen zur Bundestagswahl 2025

31.10.2024

Die Industrie in Deutschland steht vor einer ernsthaften Herausforderung: Hohe Kosten, eine rückläufige Auftragslage und negative Zukunftserwartungen zwingen viele Betriebe, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern und Personal abzubauen. Um diesem Trend entgegenzuwirken, hat die Fachvereinigung Kaltwalzwerke zusammen mit weiteren Mitgliedsverbänden des WSM wichtige Handlungsempfehlungen zur Bundestagswahl 2025 abgestimmt. Ziel ist es, die Deindustrialisierung der Branche zu stoppen und die Betriebe in Deutschland zu sichern. Dafür müssen entscheidende Voraussetzungen geschaffen werden: 

  1. Den Unternehmen mehr Vertrauen schenken und bürokratische Belastungen radikal abbauen.
  2. Den Umbau der Energieversorgung planbar gestalten und Energiekosten dauerhaft begrenzen auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau.
  3. Das Umweltrecht zukunftsfähig, praxistauglich und im europäischen und internationalen Umfeld „wettbewerbsfähig“ machen.
  4. Die Infrastruktur ertüchtigen.

Diese Empfehlungen wurden nun an die Parteien SPD, FDP, B90/Die Grünen und CDU/CSU versendet, um die politischen Rahmenbedingungen für die Branche aktiv mitzugestalten.

 

 

 

WSM-PM: 41 Prozent der Stahl- und Metallverarbeiter werden entlassen müssen!

01. Okt. 2024

41 Prozent der Unternehmen werden entlassen müssen. Fast jedes zweite muss sich aufgrund der Geschäftslage von Fachkräften trennen. „So was haben wir in den letzten 20 Jahren nicht erlebt“, so Christian Vietmeyer. Der Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung (WSM) unterstreicht: „Wir haben in der Corona-Pandemie ähnliche Planungen der Unternehmen gesehen – diese hat die Politik aber entschlossen und schnell durch das Instrument der Kurzarbeit verhindert. Zudem hatten wir es 2020 mit einem externen Schock zu tun, jetzt erleben wir eine völlig andere Dimension: nämlich eine strukturelle, von der Politik hausgemachte Krise. Die Sorge, Fachkräfte nicht mehr bezahlen zu können, ist größer als die Angst, sie dauerhaft zu verlieren.“

Weiterlesen ... 

 

 

 

Fachbeitrag Transformation der Prozesswärme: Hybrid Heating in der Kaltwalzindustrie

von Anke Üffing

Technologisch ist die Transformation der Prozesswärme längst gesetzt. Doch steigende CO2-Kosten und weitere politische Fehlentscheidungen gefährden die Existenz der stahlverarbeitenden Industrie. Ende 2023 haben sich 13 Verbände mit insgesamt 5.000 Mitgliedsunternehmen in der Kampagne Wir. Formen. Fortschritt. zusammen- geschlossen, um die Politik auf die Bedeutung der Stahl- und Metallverarbeitung für die Transformation der Industrie aufmerksam zu machen ...

weiterlesen 

 

Sparprogramm bei VW: Christian Vietmeyer von der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie macht deutlich, dass bei den Zulieferern nichts zu holen ist.

Der VW-Konzern ist unzufrieden mit seinen Margen und will mit einem Sparprogramm nachsteuern. Christian Vietmeyer von der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie macht im Interview klar, dass bei ihnen nichts zu holen ist.

Wirtschaftswoche: VW-Vorstand Oliver Blume verkündet eine Verschärfung beim Sparprogramm, hält sich mit Details aber zurück. Wie wirkt sich das auf die Zulieferer aus, ist allein schon die Ankündigung bedrohlich?

Christian Vietmeyer: Grundsätzlich befindet sich das Unternehmen aus verschiedenen Gründen in schwierigem Fahrwasser. Es wurde deutlich gemacht, dass die Gewinnmargen nicht mehr das sind, was sie einmal waren, vor allem wegen zu hoher Kosten. Wenn VW sagt, „wir haben zu hohe Kosten“, dann schrillen bei den Zulieferern die Alarmglocken. Man wird wahrscheinlich versuchen, die Preise im laufenden Geschäft oder im Neugeschäft zu drücken, um Kosten zu sparen. Das sehen wir natürlich kritisch.

Weil die Zulieferer die Preise nicht senken wollen oder können?

Wenn ich von den Zulieferern ausgehe, die in Deutschland produzieren: Können. Wenn VW käme und Rabatte verlangen würde, wäre das nicht akzeptabel. Auch bei unseren Mitgliedsunternehmen sind die Kosten nach oben gegangen, insbesondere die Energiekosten.

Sollte VW die Zulieferer zum Sparen auffordern, käme das angesichts der bereits getätigten Investitionen ohnehin zu einem schlechten Zeitpunkt?

Ja, zur Unzeit. Es gibt dafür keine Spielräume. In der Vergangenheit kamen die OEMs mit Rabattforderungen auf die Zulieferer zu, wenn eine Produktion länger lief und erwartet wurde, dass man mit Blick auf die produzierten Mengen in der Produktion effizienter geworden ist. Doch an diesem Punkt sind wir in Sachen E-Mobilität noch lange nicht. Die Investitionen haben sich noch nicht amortisiert.

VW – wie auch die anderen Hersteller – leidet aktuell unter dem mangelnden Absatz von Elektroautos. Geht es den Zulieferern ähnlich?

Viele Zulieferer haben sich auf die Produktion von Teilen für die E-Mobilität spezialisiert und Produktionskapazitäten aufgebaut. Werden die angepeilten Mengen jedoch nicht abgenommen, liegt das Risiko allein bei den Zulieferern. Das ist immer so. Verbindliche Abnahmemengen gibt es nicht. Aktuell bleiben die Zulieferer auf ihren Kapazitäten und Kosten sitzen. Lesen Sie auch: Darum sollte der Betriebsrat die Sanierung von VW nicht blockieren.

Würde der Konzern seine Produktionsmengen wegen der mangelnden Nachfrage weiter reduzieren, wäre das für einige Zulieferer dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt – und damit in die Insolvenz führen würde?

Das würde nur die Zulieferer treffen, die besonders abhängig von VW sind. Ich kenne aber kein Unternehmen, das nur VW beliefert. Die meisten Zulieferer haben mehrere Abnehmer. Und selbst wenn, würde das nicht sofort zur Insolvenz führen.

Besondere Abhängigkeiten von Zulieferern, die sich direkt um die Produktionsstandorte angesiedelt haben, sind Ihnen auch nicht bekannt?

Das hängt überhaupt nicht von der Nähe zu den Fabriken ab, wir liefern auch aus dem Schwarzwald oder dem Sauerland. Natürlich gibt es um Standorte wie Wolfsburg große Systemlieferanten, aber das sind nicht unsere Mitgliedsunternehmen. Für diese gilt: Solange es sich um Deutschland dreht, ist die Entfernung kein Problem.

Gibt es sonst noch Faktoren, die besonders VW betreffen?

Ich bin auch Hauptgeschäftsführer beim Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung, in der Stahlverarbeitung haben wir insgesamt eine durchschnittliche Gewinnmarge von drei Prozent. Das ist deutlich weniger, als VW selbst in schlechten Szenarien hat. Dass diese Situation für die Politik dennoch einen höheren Stellenwert hat, zeigt sich auch in der Fernsehpräsenz des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil. Denn wir dürfen nicht vergessen, wenn VW weniger Gewinn macht, merkt man die fehlenden Erträge auch im niedersächsischen Haushalt. Anders als der Mittelstand wird VW allerdings auch von den Kapitalmärkten beurteilt.

Bisher hieß es immer, die aktuell neue Verbrenner-Motorengeneration wird auf dem europäischen Markt vermutlich die Letzte sein. Ändert die Nachfrageschwäche der E-Mobilität daran etwas?

Das hätte ich vor einem Jahr vermutlich auch so gesagt. Doch die Rahmenbedingungen haben sich geändert und mit Blick auf andere Hersteller wie BMW und Mercedes würde ich sagen, diese Messe ist noch nicht gelesen.

Was hieße das für die Zulieferer, wenn sie gezwungen wären, zweigleisig zu fahren – also mit Elektro und Verbrenner?

Sie müssten ihre Investitionen aufteilen und das ist das Problem. Ein E-Auto ist kein umgebauter Verbrenner. Das war vielleicht am Anfang so, ändert sich aber gerade. Und hier geht es um Karosserie, Chassis, eigentlich alles.

Einen generellen Weg zurück in die Zeit des Verbrenners gibt es aber nicht?

Nein, das Flugzeug ist jetzt abgehoben, wir können den Start nicht mehr abbrechen. Was wichtig ist, ist, dass die Politik für verlässliche Rahmenbedingungen sorgt. Es kann nicht sein, dass in Deutschland Förderkulissen plötzlich wegfallen und auf EU-Ebene Diskussionen immer wieder neu eröffnet werden. Es braucht eine konsistente langfristige Strategie.

Spielen sie auf EU-Ebene auf die Diskussion um die Technologieoffenheit an?

Einige sagen, der Begriff dürfe auf keinen Fall mehr genannt werden, weil er für mehr Verunsicherung sorgt. Ich sage, die Verbraucher sind nicht verunsichert, weil auch über den Einsatz von Wasserstoff nachgedacht wird, sondern sie kaufen nicht, weil das Gesamtumfeld nicht stimmt. Wenn man den Einsatz von grünem Wasserstoff fordert, heißt das nicht, dass man die Elektrostrategie relativieren will.